IM NACHDENKEN DARÜBER, WAS UND WIE WIR ES TATEN

• Im Nachdenken darüber, was wir taten und wie wir es taten, ja, wie sich unser Tun entwickelte, tauchten Begriffe auf, die vom agential realism, dem Konzept der wirkmächtigen Realität Karen Barads inspiriert sind. Sie sieht die Welt, der Quantentheorie entsprechend, als entanglement, in ihren Verschränkungen, in der Verwobenheit von Wissens- und Seinsformen. Das Begreifen der Welt als Werden im Bild der Diffraktion – , «a material-discursive phenomenon that challenges the presumed inherent separability of subject and object, nature and culture, fact and value, human and nonhuman» (Barad 2007, 381) ist herausfordernd und zugleich erleichternd im Sinne des Öffnens von Denkgrenzen, die das Tun und Empfinden beengen, ihm die Luft zum Atmen nehmen, weil sie uns in ein Entweder-Oder pressen wollen. Unser Ansatz ist einer, der versucht, das Verstehen, das aus unterschiedlichen disziplinären Praxen kommt, nicht in Konkurrenz zu einander, sondern in Kommunikation miteinander zu bringen. Es versteht sich verschränkt, denn wir spüren in Kunst und Wissenschaft nicht dem Trennenden, sondern dem Gemeinsamen, dem Verbindenden nach. Was ist hier zu finden? Und wie können wir das sicht-, hör- und erfahrbar machen?
 Wenn wir Kunst und Wissenschaft nicht als getrennt begreifen, befinden wir uns in einem Intra-Agieren, einem Agieren, durch das Phänomene ihre Materialisierung erfahren. Materielle Komponenten, Subjekte, Diskurse, Apparate, Tätigkeiten, alles intra-agiert, stellt Realität her und verändert sie. Eine Übung also im Denken in Verschränkungen.

• Im Nachdenken darüber, was wir taten und wie wir es taten, ja, wie sich unser Tun entwickelte, findet sich die Dimension der Zeit, in der sich unsere Zusammenarbeit entfaltete.
 Wir arbeiteten über einen Zeitraum von einigen Jahren, in dem sich viel veränderte. Wenn es auf einen Punkt zu bringen gilt, was diese Zeit für uns beinhaltete, scheitert ein chronologischer Versuch. Was wir erfuhren wäre vielmehr mit Byung Chul Hans Gedanken zum Duft der Zeit zu umkreisen: « … das Subjekt der Erfahrung muss sich offen halten für das Kommende, ja für das Überraschende und Ungewisse der Zukunft. Sonst erstarrt es zu einem Arbeiter, der die Zeit bloß abarbeitet. Er verändert sich nicht. Veränderungen destabilisieren den Arbeitsprozess. Das Subjekt der Erfahrung hingegen ist sich nie gleich.» (Han 2009, 13) Es sind diese Kontexte, in denen Erfahrung und Erkenntnis passiert. Ein Sich-Hineinbegeben in eine Versuchsanordnung, ein Einlassen in einen Prozess ist nicht planbar. Und es braucht Zeit. Es braucht auch ein Heraustreten, ein bewusstes Abseits von Routinen und Automatismen, ein Heraustreten aus dem Gewussten.
 Eine Präsenz. Präsenz stellt die Trennung von Zeit und Raum in Frage. Sie lässt alles hier sein. Wahrnehmend, verbindend. Wir übten uns in Präsenz und erfuhren eine Zeit, die duftete.

• Im Nachdenken darüber, was wir taten und wie wir es taten, spielten die Räume eine wesentliche Rolle. Eine permanente Konfrontation mit der agency der Räume. Mit den den Wissenschaften zugeordneten Räumen, den den Künsten zugeordneten und den Räumen im Dazwischen. Den ungelebten und den gelebten Räumen. (Baier 2000, Waldenfels 2009) Nicht allein der dreidimensionale, geometrische, theoretischen Raum beschäftigte uns, obwohl auch der mit seinen Eigenarten uns herausforderte. Sondern auch der existentielle Raum, der, den wir leben, den wir durch existentielle Beziehungen entstehen lassen, dem wir Sinn verleihen, dem «Fundus der Befindlichkeit, aus dem wir ständig schöpfen» (Waldenfels 1985, 184).
 Wir loteten das Räumliche aus, waren von Räumen beeinflusst, intra-agierten mit ihnen, gestalteten sie, schufen sie im gemeinsamen Tun. Unsere Versuchsanordnungen luden uns, unsere Gäste, das Publikum in diese Raumzeit, in ein spacetimemattering (Barad 2011), ein. Luden ein, in Ordnungsprozesse einzutauchen. Sie neu zu erfahren und durch das Herausfordern des eigenen Wahrnehmens gestaltend zu neu entdecken.

 

Videostill: Markus Hruska